Mit größer werdendem Schadensausmaß wird der Einsatz von Renovierungstechniken zunehmend
unwirtschaftlich. Bei stark beschädigten Rohrabschnitten bietet sich dann die Umsetzung
von Erneuerungsmaßnahmen an. Bei hydraulischen Überlastungen können als Sanierungsmaßnahme
i. d. R. nur Erneuerungsverfahren eingesetzt werden, indem vorhandene Kanäle durch
neue größer dimensionierte ausgetauscht werden.
Die Erneuerung umfasst die Herstellung neuer Kanäle in alter oder neuer Linienführung,
welche die Funktion der alten, dann stillgelegten oder rückgebauten übernehmen. Die
Ausführung kann in offener oder geschlossener Bauweise erfolgen.
Stillgelegte Kanäle sind auszubauen oder vollständig zu verfüllen (vgl. Kap. 3.2.1, Absatz (10)). Für die Verfüllung kann fließ- oder spülfähiges Material verwendet werden, z. B.
Einfüllen von zementgebundenem Verfüllstoff oder ZFSV,
Zuspülen mit Sand oder Kiessand und
Verblasen von Kies.
Für den Einsatz von Erneuerungsverfahren sind die statischen Anforderungen gemäß [ATV-DVWK-A 127] und für Vortriebsrohre gemäß [DWA-A 161] zu beachten. Zur Festlegung der relevanten Lastfälle sind i. d. R. Baugrunduntersuchungen
erforderlich.
Offene Bauweise
Die Erneuerung in offener Bauweise entspricht der herkömmlichen Bautechnik, d. h.
im offenen und i. d. R. verbauten Graben ([DIN EN 1610] in Verbindung mit DWA-Arbeitsblatt [DWA-A 139]).
Bei z.B. beengten Platzverhältnissen, in Naturschutzgebieten und für die Unterquerung
von Verkehrswegen sind Erneuerungsverfahren in offener Bauweise oft nicht geeignet
oder nicht wirtschaftlich einsetzbar. In diesen Fällen bietet sich i. d. R. der Einsatz
von Erneuerungsverfahren in grabenloser Bauweise an.
Grabenlose Bauweise
Die Erneuerung in grabenloser Bauweise kann in alter oder neuer Trasse durchgeführt
werden (z.B. [DIN EN 12889] in Verbindung mit DWA-Arbeitsblatt [DWA-A 125]).
Für Maßnahmen in neuer Trasse werden im nicht begehbaren Bereich i. d. R. die etablierten
Microtunneling-Verfahren eingesetzt, die im Rahmen der rein baulichen Kanalsanierung
nur selten Anwendung finden.
Zur Erneuerung in alter Trasse kommen i. d. R. die beiden Verfahren Berstlining oder
Überfahren/Microtunneling zum Einsatz.
Beim Berstlining werden vorhandene Kanäle mit Hilfe eines Berst- oder Aufweitkopfs
zerstört und in das umgebende Erdreich verdrängt. Gleichzeitig wird dabei ein neues
Rohr von gleichem Durchmesser oder in begrenztem Umfang und in Abhängigkeit von Geologie
und Altrohrbettung auch von größerem Durchmesser eingebracht. Im Falle vorhandener
Anschlussleitungen müssen diese vorab vom zu erneuernden Kanal baulich getrennt werden
(Baugrube) und im Nachgang an das Neurohr wieder angeschlossen werden.
Mit Hilfe des Microtunneling oder Rohrvortrieb wird ein Kanal in neuer Trasse grabenlos
hergestellt. Der neue Kanal kann durch die exakte Steuerbarkeit der Microtunneling-Maschinen
in genauer Linienführung hergestellt werden. Ggf. am Altkanal angeschlossene Leitungen
werden zumeist in offener Bauweise an den neuen Kanal angeschlossen. Bei begehbaren
Hauptkanalprofilen können die Anschlussleitungen ggf. ebenfalls grabenlos aus dem
Hauptkanal heraus hergestellt werden. Das Microtunneling ist im Vergleich zum Berstlining
i. d. R. das technisch aufwändigere Verfahren.
Einen Sonderfall bei der Erneuerung von Abwasserkanälen stellt das Horizontal-Spül-Bohr-Verfahren
(HDD-Spülbohr-Technik; Verband Güteschutz Horizontalbohrungen e.V., DCA, Aachen) dar.
Hierbei handelt es sich um ein Bohrverfahren, bei dem zunächst eine bedingt steuerbare
Pilotbohrung hergestellt wird. Im Anschluss erfolgen eine ggf. mehrstufige Aufweitung
und Stützung des Bohrlochs, durch welches dann das neue Rohr eingezogen werden kann.
Das Verfahren kann vorzugsweise im Druckrohrbereich eingesetzt werden. Zur Neuherstellung
von Freispiegelkanälen müssen üblicherweise größere Höhenunterschiede mit Plangefällen
von mindestens 4 % (je nach Geologie auch mehr) vorhanden sein. Das Spülbohrverfahren
erfordert hierbei mit zunehmender Profilgröße erhöhte Abstände zu benachbarter Infrastruktur
und zur Oberfläche. Aus diesem Grund wird die HDD-Technik im Kanalbau bei grundsätzlicher
Eignung vorzugsweise nicht in eng bebauten Gebieten und in Bereichen ohne benachbarte
unterirdische Infrastruktur zum Einsatz eingesetzt.