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A-5.7.2 Grundlagenermittlung
Für die Umsetzung von Maßnahmen der Niederschlagswasserversickerung sind bei Neubau und Sanierung eines Entwässerungsnetzes zusätzliche Informationen und Daten zu erheben, die im Zuge einer konventionellen Erschließung oder Sanierung von untergeordneter Bedeutung sind. Zurückzuführen ist dies insbesondere darauf, dass der Untergrund nicht nur als Baugrund zu verstehen ist, sondern selbst Bestandteil der Entwässerungseinrichtung wird. Es ergeben sich daher besondere Anforderungen für die Versickerungsanlagen. Diese betreffen die Flächenbelastung und Nutzung sowie die Umweltparameter am jeweiligen Standort der Versickerungsanlage innerhalb der Liegenschaft.
A-5.7.2.1 Untersuchung der Flächenbelastung und Nutzung
Die vorhandene und zukünftige Nutzung der Liegenschaft ist für die Versickerung von Niederschlagsabflüssen und deren Umsetzung maßgebend.
Prüfung der Flächenverfügbarkeit
Im Gegensatz zu einem konventionellen unterirdischen Ableitungsnetz benötigen Versickerungsanlagen freie Flächen. Der Flächenbedarf für die Muldenversickerung beträgt i. M. etwa 10% der angeschlossenen befestigten Fläche.
Versickerungsanlagen sollten stets im gewachsenen Boden, d.h. außerhalb von gestörten Bodenbereichen, z.B. durch die Auffüllbereiche von Baugruben für Gebäude oder Ver- und Entsorgungsleitungen, angeordnet werden.
Prüfung auf Altlastenverdachtsflächen
In Altlastenverdachtsflächen sind Maßnahmen zur Flächenentsiegelung und Versickerung i.d.R. auszuschließen. Auf Grundlage der Nutzungshistorie der Liegenschaft ist zu prüfen, ob für die zu entsiegelnden Flächen oder Versickerungsflächen ein Verdacht auf Altlasten besteht. Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Altlast bestehen, wenn in Liegenschaften über einen längeren Zeitraum oder in erheblicher Menge mit Schadstoffen umgegangen wurde und die jeweilige Betriebs-, Bewirtschaftungs- oder Verfahrensweise oder Störungen des bestimmungsgemäßen Betriebs nicht unerhebliche Einträge solcher Stoffe in den Boden vermuten lassen; z.B. Tankstellen- und technische Instandsetzungsbereiche.
Für eine ggf. durchzuführende Altlastenerkundung sind die Baufachlichen Richtlinien Boden- und Grundwasserschutz [Baufachliche Richtlinien Boden- und Grundwasserschutz] zu beachten. Planungen von Niederschlagsversickerungsanlagen sind in diesen Fällen mit der Unteren Bodenschutzbehörde und der Kommune abzustimmen.
Mindestabstand von Gebäuden
Von Versickerungsanlagen dürfen keine Schäden an Gebäuden und Anlagen ausgehen. Ein Abstand zu Gebäuden von mehr als 6 m ist i.d.R. für dezentrale Versickerungsanlagen ohne weiteren Nachweis ausreichend. Bei Unterschreitung dieses Abstandes ist nachzuweisen, dass insbesondere bei unterkellerten Gebäuden der Abstand der Versickerungsanlage von der Außenkante des Fundaments das 1,5-fache der Baugrubentiefe beträgt. Bei nicht unterkellerten Gebäuden ist die Tiefe des Fundamentes anstelle der Baugrubentiefe zur Ermittlung des Abstandes heranzuziehen (vgl. Abb. A-5 - 4).
Über unterirdischen Bauten dürfen keine Versickerungsanlagen angeordnet werden.
Abb. A-5 - 4 Mindestabstand von Versickerungsanlagen von Gebäuden [DWA-A 138]
Bei Gebäuden mit Keller sollte überprüft werden, ob zusätzlich bautechnische Maßnahmen am Gebäude zur Vermeidung von Mauerwerksdurchfeuchtung erforderlich sind (kapillarbrechende Schicht mit Dränage und Abdichtung). Es ist zu prüfen, ob im Falle einer Mauerwerksdurchfeuchtung Nutzungseinschränkungen zu erwarten sind.
Erfassung der Herkunftsflächen
Die Erfassung der Herkunftsflächen ist für die Beurteilung der stofflichen Belastung und nachfolgend für die Wahl des Versickerungsverfahrens und die Festlegung notwendiger Behandlungsmaßnahmen maßgebend. Für die Einordnung der Herkunftsflächen in die Kategorien unbedenklich, tolerierbar, nicht tolerierbar enthält [DWA-A 138] eine Entscheidungsmatrix (Abb. A-5 - 2) für die Wahl des Versickerungsverfahrens. Folgende Hinweise sind zu berücksichtigen:
*
Prüfung der Dachmaterialien: Abflüsse von Dächern mit Metalleindeckung (Zink, Kupfer, Blei) erfordern eine erhöhte Behandlung, wenn sie versickert werden sollen (Abb. A-5 - 2). Jede andere Dacheindeckung, auch mit bituminösen Materialien, wird als unbedenklich im Hinblick auf eine Versickerung der Abflüsse angesehen.
*
Untersuchung der Nutzung der Verkehrsflächen: Die Art und Intensität der Nutzung von Verkehrs- Park- und Stellflächen in Wohn- und Unterkunfts- sowie in technischen Bereichen ist entscheidend für die potenzielle Verschmutzung des abfließenden Niederschlagswassers. Für eine abschließende Beurteilung der Versickerungsfähigkeit der Abflüsse von den o.g. Herkunftsflächen ist die Art der Versickerungsanlage bzw. eine Vorbehandlung zu berücksichtigen.
Das Verschmutzungspotenzial von Boden, Untergrund und Grundwasser durch Löschwasser im Brandfall ist zu bedenken.
*
Gebiete mit signifikanter Luftverschmutzung: Niederschlagsabflüsse von Dächern in Liegenschaften, die innerhalb oder angrenzend von Industriegebieten mit signifikanter Luftverschmutzung liegen, dürfen nicht direkt unterirdisch über Rigolen oder Sickerschächte versickert werden.
A-5.7.2.2 Erfassung von Umweltparametern
Die Umweltparameter beschreiben die Standortsverhältnisse für die Versickerungsanlagen und sind Grundlage für die Planung und Dimensionierung.
Hydraulische Leitfähigkeit
Voraussetzung für die Versickerung ist ein ausreichend durchlässiger Untergrund. Die hydraulische Leitfähigkeit kf [m/s] für die gesättigte Zone beschreibt die Durchlässigkeit und ist ein wichtiger Bemessungsparameter für Versickerungsanlagen. Der kf-Wert ist abhängig von der Korngrößenverteilung, der Lagerungsdichte und von der Bodenart; bei bindigen Böden zusätzlich vom Gefüge, bei Moorböden von Torfart und Zersetzungsgrad.
Der anstehende Boden sollte einen Durchlässigkeitsbeiwert (kf) im Bereich zwischen 1 x 10-3 kf 1 x 10-6 m/s besitzen. Für kf-Werte kleiner als 1 x 10-6 m/s besteht die Gefahr zu großer Einstaudauern der Versickerungsanlage.
Umgekehrt ist eine zu große Durchlässigkeit (kf > 10-3 m/s) ungeeignet, da das Wasser zu schnell in Richtung des Grundwassers abfließt und die für die Reinigungsprozesse erforderliche Dauer durch die Bodenpassage nicht ausreichend ist.
Tab. A-5 - 4 enthält eine Übersicht der Bodenarten und zugehörigen Durchlässigkeitsbereiche sowie eine Einschätzung für die Eignung zur Versickerung.
Tab. A-5 - 4 Bodenarten, Durchlässigkeit und Eignung für die Versickerung
Bodenart
kf-Wert in [m/s]
Eignung für Versickerungsanlagen
von
bis
Grobkies
1 x 10-1
5 x 10-3
ungeeignet
Fein-/Mittelkies
5 x 10-2
5 x 10-4
ungeeignet
Sandiger Kies
1 x 10-2
1 x 10-4
bedingt geeignet
Grobsand
1 x 10-2
1 x 10-4
bedingt geeignet
Mittelsand
1 x 10-3
5 x 10-5
geeignet
Feinsand
5 x 10-4
5 x 10-6
geeignet
schluffiger Sand, sandiger Schluff
1 x 10-4
5 x 10-8
bedingt geeignet
Schluff
5 x 10-5
1 x 10-9
bedingt geeignet
Toniger Schluff
5 x 10-6
1 x 10-10
ungeeignet
Schluffiger Ton, Ton
1 x 10-8
1 x 10-11
ungeeignet
Für die Bestimmung des kf -Wertes gibt es verschiedene Verfahren:
*
Abschätzung nach Bodenart gemäß [DIN EN ISO 14688-1]für die Ersteinschätzung nach Anhang A-5.7.3.1
*
kf-Wert-Bestimmung im Labor durch Probenahme und
*
Permeameteruntersuchung oder
*
Kornverteilungsanalyse
Bei der ungestörten Probeentnahme ist [DIN EN ISO 22475-1] zu beachten.
*
Durchführung von Feldversuchen: Verlässliche Daten lassen sich besonders durch Feldversuche gewinnen, die auf die Ermittlung der Versickerungsraten eines Standorts ausgerichtet sind. Häufig eingesetzte Verfahren zur Bestimmung der Infiltrationsrate zur Ableitung der Durchlässigkeitsbeiwerte sind:
*
Doppelring-Infiltrometer nach [DIN 19682-7]
*
Bestimmung der Durchlässigkeit mit der Bohrlochmethode [DIN 19682-8] in der wassergesättigten Zone.
*
Open-End-Test
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Schurfversickerung
Die abgeleiteten Ergebnisse der Feldversuche sind stark abhängig von der Inhomogenität der Oberflächenstruktur. Es wird daher empfohlen parallele Probenahmen oder Messungen an verschiedenen Stellen durchzuführen, um die Messwerte abzusichern und die natürliche Streuung der Messwerte zu erfassen.
Die Durchlässigkeitsbeiwerte, die nach den zuvor genannten Methoden ermittelten werden, unterscheiden sich systembedingt, weil die Methoden von unterschiedlichen Randbedingungen ausgehen. Für die Festlegung des Bemessungs-kf-Wertes sind daher die Hinweise und Korrekturfaktoren nach [DWA-A 138] anzuwenden.
Grundwasserflurabstand
Der Grundwasserflurabstand zwischen der Versickerungsanlage und dem mittleren höchsten Grundwasserstand (Mächtigkeit des Sickeraumes) sollte mindestens 1 m betragen. Dadurch wird sowohl eine ausreichende Bodenpassage zum Abbau stofflicher Belastungen als auch ein ausreichendes hydraulisches Potentialgefälle sichergestellt. Bei unterirdischer Versickerung sollte die Mächtigkeit des Sickerraums 1,5 m betragen.
Bei unbedenklichen Niederschlagsabflüssen und geringer stofflicher Belastung der Niederschlagsabflüsse kann bei Flächen- und Muldenversickerung im begründeten Ausnahmefall eine Mächtigkeit des Sickerraums von weniger als 1 m vertreten werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass bei einer Mächtigkeit des Sickerraums von weniger als 1 m nur noch partikuläre Stoffe und an ihnen sorbierte Substanzen nennenswert zurückgehalten werden. Bei weniger als 0,5 m können bei höchstem Grundwasserstand die Niederschlagsabflüsse direkt in das Grundwasser gelangen.
Sofern keine auswertbaren Grundwassermessstellen verfügbar sind, sollte auf örtliche Beobachtungen zurückgegriffen werden, z.B.
*
Wasserstände in offenen Wasserflächen (Teiche, Gräben),
*
Beobachtungen bei Tiefbaumaßnahmen auf der Liegenschaft,
*
feuchte Keller und ggf. das Anspringen von Kellerdränagen,
*
Rückschlüsse aus Bodenschichtungen.
Die höchsten Grundwasserstände sind regelmäßig in den Frühjahrsmonaten zu erwarten.
Aussagen zum Grundwasserhorizont und zur Grundwasserfließrichtung können auch hydrogeologischen Karten entnommen werden.
Grundwasserschutzzonen
In Wasserschutzgebieten gelten für das Versickern von gesammeltem Niederschlagswasser Sonderregelungen. Hinweise enthält Anhang A-5.4.1.4.
Sonstige Schutzgebiete
Gegebenenfalls sind andere Schutzgebiete zu berücksichtigen, für die eine Versickerung von Niederschlagsabflüssen auszuschließen ist, z.B. schützenswerte Biotope. Versickerungsmaßnahmen sind mit der Unteren Naturschutzbehörde abzustimmen.
Vorflutverhältnisse
Im Rahmen der Grundlagenermittlung ist die Gewässersituation aufzunehmen. Insbesondere ist zu dokumentieren, ob, in welcher Entfernung und mit welcher Zugängigkeit eine oberirdische Vorflut vorhanden ist. Zu berücksichtigen sind auch stehende Gewässer wie Teiche.
Berücksichtigung der Topografie
Bei Hanglagen ist die Versickerung von Niederschlagsabflüssen nur dann zu empfehlen, wenn die Gefahr einer Vernässung von unterhalb liegenden Gebäuden ausgeschlossen wer-den kann. Besonderes Augenmerk ist auf eine Schichtung des Untergrundes zu richten, weil sich durch die Versickerung unter Umständen eine Verstärkung von Schichtenwasseranfall ergeben kann. Ebenso ist zu prüfen, ob infolge der Versickerung von Niederschlagsabflüssen die Gefahr von Hangrutschungen besteht.
A-5.7.2.3 Klärung genehmigungsrechtlicher Anforderungen von Versickerungsanlagen
Die Möglichkeiten zur Umsetzung von Versickerungsanlagen ist durch die baudurchführende Ebene auf Basis der hier durchgeführten Grundlagenermittlung (Anhang A-5.7.2) mit der Unteren Wasserbehörde und dem Abwasserbeseitigungspflichtigen, in der Regel ist dies die Kommune, abzustimmen (vgl. Anhang A-5.2.1). Damit sollen frühzeitig Anforderungen und Randbedingungen geklärt werden, die für die weiteren konzeptionellen Planungsschritte von Niederschlagswasser­bewirtschaftungsanlagen maßgebend sind.